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5 Herausforderungen, denen sich HR-Führungskräfte 2021 stellen müssen

Laut Greg Pryor, Executive Director bei Workday, erleben wir derzeit einen Paradigmenwechsel im Bereich Human Capital Management, der eine neue Generation, wenn nicht sogar ein neues Zeitalter einläutet. Im Folgenden erklärt Pryor, warum Mitarbeiter und Performance Enablement momentan im Mittelpunkt stehen.

Das Zusammentreffen der globalen Pandemie und des Kampfes für soziale Gerechtigkeit hat zu drastischen Änderungen in der Geschäftswelt geführt. Hinzu kommen weitere technologische Fortschritte, wachsende Kompetenzlücken und eine neue Erwartungshaltung der Mitarbeiter. Vor diesem Hintergrund ist Talentmanagement – ein Bereich, der Personalentwicklung, Performance Management und Mitarbeitereinbindung umfasst – wichtiger denn je.

Doch schon vor der Krise diskutierten Führungskräfte und Branchenführer neue Paradigmen im Bereich Human Capital Management (HCM). Auch Greg Pryor, Executive Director hier bei Workday, erkannte die Zeichen, die auf einen fundamentalen Gesinnungswandel hindeuteten – ein Wandel, der angesichts der Pandemie, die die Transformation beschleunigt und ein Umdenken in Bezug auf bestimmte HCM-Praktiken forciert, umso dringlicher wird.

Wir haben mit Pryor darüber gesprochen, welche Änderungen er aktuell beobachtet und mit welchen Herausforderungen HR-Führungskräfte seiner Ansicht nach in den kommenden Jahren rechnen müssen.

Was sind die größten Herausforderungen im Bereich Talentmanagement, denen sich HR-Führungskräfte jetzt stellen müssen?

Wir erleben derzeit einen Paradigmenwechsel im Bereich Human Capital Management, der eine neue Generation, wenn nicht sogar ein neues Zeitalter einläutet. Die Zeit zwischen den 1930ern und 1970ern markiert das Zeitalter des „Personals“. Ab den 70er Jahren bis ca. 2010 sprach man von „HR“. Vor etwa 10 Jahren begann das „dritte Zeitalter“ mit einem Fokus auf Mitarbeitern und Performance Enablement. Durch die Pandemie wurde dieser Wandel beschleunigt und verstärkt. Dabei haben sich fünf Gebote in Bezug auf das künftige Unternehmens- und Talentmanagement herauskristallisiert, die ich hier als „IDEAS“ eines zukunftsorientierten Personalwesens bezeichnen möchte. IDEAS steht für die fünf Gebote: Inklusion, Digitalisierung, Enablement, Agilität und Skills.

 

Laut Weltwirtschaftsforum werden sich innerhalb der nächsten drei Jahre die Kompetenzanforderungen für 42 Prozent aller Tätigkeitsfelder ändern.

 

Können Sie die einzelnen IDEAS-Gebote näher erläutern und verständlich machen?

Beginnen wir mit Inklusion. Wir wissen, dass die Mitarbeiter von Unternehmen, die der Konkurrenz in Sachen Innovation, Kundenservice und Performance einen Schritt voraus sind, über ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl verfügen und ein starkes Engagement zeigen. Leider blieben die Ergebnisse vieler Unternehmen jedoch hinter den Zielsetzungen zurück.

In einer McKinsey-Studie vom Juni 2020 gaben fast die Hälfte der Studienteilnehmer an, dass sie sich ihrem Unternehmen nicht besonders zugehörig fühlen. Es zeigte sich außerdem, dass Mitarbeiter unabhängig von Geschlecht, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung beim Thema Inklusion auf Barrieren stoßen.

Inklusion zielt darauf ab, Grundsätze und Praktiken am Arbeitsplatz zu verankern, die ein Gefühl der Zugehörigkeit und psychologischen Sicherheit vermitteln, sodass alle Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können. Wir haben ein neues Konzept entwickelt, um dies bei Workday zu realisieren. Wir nennen es VIBE™ – unser Engagement für Inklusion, Zugehörigkeit und Gleichberechtigung. Wir möchten, dass sich jeder bei uns wohlfühlt: Alle Mitarbeiter sollen sich wertgeschätzt und eingebunden fühlen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter, die sich eingebunden fühlen, risikobereiter sind. Dies wiederum fördert die Innovationskraft und Leistungsbereitschaft. Die Studie ergab, dass Talentpraktiken und -programme mithilfe digitaler Technologie stärker personalisiert und kuratiert werden können, sodass es möglich ist, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter einzugehen. Die Schlüsselfrage lautet also: Wie können wir unsere Mitarbeiter zu eigenständigen Entscheidungen motivieren, indem wir ihnen ein ausgeprägtes Gefühl von Inklusion, Zugehörigkeit und – wie es in der Fachliteratur heißt – psychologischer Sicherheit vermitteln?

Das „D“ steht für Digitalisierung. Was bedeutet das im HR-Kontext?

Um die Personalisierung derart zu skalieren, müssen wir digitale Technologien auf völlig neue Art anwenden. Informationen, Prozesse und Praktiken wurden bereits digitalisiert. Doch wir stehen noch ganz am Anfang, was die Demokratisierung von Daten mithilfe von Machine Learning angeht, sodass Talentpraktiken zur Optimierung grundlegender HR-Aufgaben automatisiert und augmentiert werden können.

Wie setzen wir Bot-Technologie ein? Wie können wir Machine Learning und andere Arten von „Nudges“ – Denkanstöße, die zu einem bestimmten Verhalten anspornen – in die Arbeitsabläufe integrieren? Wir möchten unseren Mitarbeitern an ihrem Arbeitsplatz dieselbe Anwendererfahrung bieten, die sie als Verbraucher gewohnt sind. Diese Anwendererfahrung – ob bei Amazon, Google oder Netflix – basiert auf solchen Nudges. Es geht darum, die Informationen, Lerninhalte, Coaching-Möglichkeiten, Rollen oder Beziehungen zu prognostizieren, die einem Mitarbeiter zum Erfolg verhelfen können, und diese Inhalte im Rahmen des Arbeitskontexts oder der Arbeitsabläufe zu kuratieren.

Und um das Ermöglichen von Mitarbeitererfahrungen?

Das ist das Ziel: Wir möchten ein Mitarbeitererlebnis schaffen, das Beiträge, Beziehungen, Leistungen und Karrierechancen sichtbar und möglich macht, sodass alle Mitarbeiter außergewöhnliche Ergebnisse erzielen können. Die Digitalisierung und Demokratisierung von Daten hat sich ebenso weiterentwickelt wie die Anwendererfahrung für Verbraucher. Wir sind inzwischen in der Lage, die Erfahrungen, die wir unseren Mitarbeitern bieten, neu zu erfinden. Mitarbeiter übertragen ihre Erfahrungen als Verbraucher zunehmend auf den Arbeitsplatz. Somit steigt die Erwartung, dass wir ihnen unaufgefordert Learning-Empfehlungen, Mentoring-Angebote oder interne Gigs anbieten, durch die sie ihre Kernkompetenzen ausbauen können.

Künftig werden sie von uns erwarten, dass wir sie mit Alerts, Empfehlungen und Erinnerungen beim Performance Management unterstützen. Sie werden von uns erwarten, dass wir sie coachen, informieren und für Programme anmelden, die speziell auf ihren Aufgabenbereich, ihr Kompetenzprofil und ihr Erfahrungsniveau zugeschnitten sind. Sie werden von uns erwarten, dass sie uns Fragen in natürlicher Sprache statt im HR-Jargon stellen können und eine Antwort erhalten. Vielleicht werden sie sogar erwarten, dass ihre HR-Lösung ihnen Fragen stellt, um ihnen zu helfen. Wie im Verbraucherkontext spielen auch am Arbeitsplatz Push- und Pull-Elemente eine Rolle. Sowohl die Anforderungen des Unternehmens als auch des Individuums müssen berücksichtigt werden.

Außerdem sollten wir von einem Modell der Aktivitätsbewertung zu einem Modell der Ergebnisbewertung übergehen. Bei Workday führen wir beispielsweise jeden Freitag eine Pulsbefragung im gesamten Unternehmen durch: Im Rahmen des sogenannten „Feedback Friday“ stellen wir allen Mitarbeitern einige Fragen, die sich in 30 Sekunden beantworten lassen. Das Feedback der Mitarbeiter hilft uns, zu verstehen, welche Performance-Enablement-Maßnahmen eine bestimmte HR-Führungskraft in ihrem Team ergreifen muss. Vor dem Hintergrund der Pandemie erwies sich dies als essenzielle Voraussetzung für die Mitarbeitereinbindung.

 

Wie definieren Sie Agilität?

Um in einer hochgradig dynamischen, schnelllebigen Welt konkurrenzfähig zu sein, müssen wir darüber nachdenken, wie wir uns an die Änderungen der Wettbewerbslandschaft anpassen können – als Einzelner, als Team und als gesamtes Unternehmen. Durch Automatisierung und Augmentation von Arbeitsprozessen durch kenntniserweiternde Maßnahmen kann ein Maß an Agilität erreicht werden, das der neuen Arbeitswelt gerecht wird. 2020 hat uns vor Augen geführt, warum dies notwendig ist – sofern jemals Zweifel daran bestanden.

Ein gutes Beispiel sind die betrieblichen Notwendigkeiten, die zu Beginn der Pandemie deutlich wurden. Unternehmen mussten sich Einblicke in die Skills und Kompetenzen ihrer Belegschaft verschaffen, um Mitarbeiter anderen Bereichen zuzuteilen – seien es besonders geschäftskritische oder völlig neue Aufgaben. So setzten einige Fabrikanten beispielsweise über Nacht die Fahrzeugfertigung aus und stellten stattdessen Beatmungsgeräte her. Ein agiles Unternehmen kann Kompetenzlücken mithilfe eines breit gefächerten Ansatzes auf verschiedene Art und Weise kompensieren:

  • Zugewinn an Kenntnissen durch Festanstellungen
  • Kompetenzaufbau durch Umschulung vorhandener Mitarbeiter
  • Einsatz von Technologie, z. B. maschinelles Lernen, um bestimmte Arbeitsabläufe und Prozesse zu automatisieren und Defizite zu identifizieren und zu schließen
  • Outsourcing von Projekten an externe Dienstleister, um sich die benötigten Kompetenzen zu beschaffen

Ein weiteres Beispiel ist das Aufbrechen formaler Organisationsstrukturen zugunsten des Konzepts übergeordneter Teams, die sich auf kritische Projekte konzentrieren. Solche „Superteams“ können flexibler eingesetzt werden, um zeitkritische Aufgaben in kürzester Zeit zu erledigen. Außerdem bieten sie Mitarbeitern die Möglichkeit, berufliche Erfahrungen zu sammeln, durch die sie neue Kompetenzen erwerben und ihre Karriere vorantreiben können – etwas, das heutzutage von den Mitarbeitern erwartet wird. Inzwischen ist dieser Ansatz in unserer eigenen Arbeitsplatzkultur fest verankert. So fördern wir unsere Resilienz und unseren Einfallsreichtum, um den nächsten großen Umbruch zu überstehen und – so hoffen wir – erfolgreich zu meistern.

 

IDEAS steht für die fünf Gebote: Inklusion, Digitalisierung, Ermöglichung von Mitarbeitererfahrungen, Agilität und Skills.

 

Das letzte Gebot sind Skills. Warum sind Skills und Kompetenzen so wichtig?

Skills und Kompetenzen sind meiner Meinung nach die Währung der neuen Arbeitswelt. Wir müssen die im Unternehmen vorhandenen Kenntnisse in diese neue Währung überführen, um zielgerichtete und faire Methoden der Performancebewertung, Talentsuche und Personalentwicklung zu entwickeln und Chancengleichheit in Beruf und Karriere zu gewährleisten.

Skills und Kompetenzen sind der Mechanismus, der die anderen vier Gebote aktiviert. Laut Weltwirtschaftsforum werden sich innerhalb der nächsten drei Jahre die Kompetenzanforderungen für 42 Prozent aller Tätigkeitsfelder ändern. Grund dafür sind neue Technologien und neue ökonomische Impulse. Auch müssen mehr als 1 Milliarde Arbeitnehmer bis 2030 umgeschult werden.

Die Demokratisierung von Daten und Fortschritte im Bereich Machine Learning ermöglichen inzwischen wesentlich bessere Einblicke in die Kompetenzen eines Mitarbeiters. Stellen Sie sich vor, Sie könnten nicht nur ermitteln, über welche Kompetenzen ein Mitarbeiter aktuell verfügt, sondern auch, welche Kompetenzen er gern erwerben würde, um dann spezifische Aufgaben für ihn zusammenzustellen. Anhand der Krankenakte eines Patienten könnte beispielsweise ein Machine-Learning-Algorithmus prognostizieren, in welcher Krankenhausabteilung die Behandlungsaussichten am besten sind. Auf derselben Grundlage können wir die Vorkenntnisse und Qualifikationen ermitteln, die zur Entwicklung benötigter Kompetenzen erforderlich sind.

Zum Glück kommen diese Fortschritte gerade jetzt, da wir gezwungen sind, die wachsenden Kompetenzlücken zu schließen. Wir sind zuversichtlich, dass die Demokratisierung von Kompetenzen nicht nur dazu beitragen wird, aktuelle Kompetenzlücken zu schließen, sondern auch ein System fördern wird, in dem Kompetenzen wertvoller sind als Abschlüsse und Ergebnisse mehr als Titel und in dem Talente aus historisch benachteiligten Gruppen gleiche Chancen erhalten.

Wir erleben eine positive Zeitenwende, die diesen Erfolgszyklus auslöst. Firmen und Betriebe sind darauf angewiesen, Mitarbeiter erwarten ihn und die Technologie wird ihn ermöglichen.